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Galerie des Städtischen Museums Eisenhüttenstadt

Zur Ausstellung der Künstlergruppe 2010

Städtischen Museum Eisenhüttenstadt, 13.12.2014

Künstlergruppen sind etwas Besonderes - etwas, das dem künstlerischen Schaffen auf

den ersten Blick diametral entgegengesetzt ist, denn dieses findet normalerweise allein

im Atelier statt.

Selbst in den berühmten Werkstattbetrieben von Cranach d.Ä. und d.J. über Rembrandt

und Rubens bis hin zu Olafur Eliasson etwa heute ist es stets die eine starke

Künstlerautorität, die dem ganzen vorsteht, die mit ihrem Namen allein fur alles

Geschaffene steht. Autorität und Autorschaft stehen heute noch in engster Verbindung,

daran haben auch die verschiedensten Versuche von Künstlerkollektiven im 20. Jh.

nichts geändert.

Gleichwohl bietet die Kunstgeschichte vielfältige Beispiele höchsterfolgreicher

Künstlergruppen, denkt man z.B. an den ,,Blauen Reiter" oder die - ebenfalls frühen

expressionistischen – „Brücke“-Künstler um Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel und

Karl Schmidt-Rottluff, an die „De Stijl“-Gruppe des beginnenden Konstruktivismus, an

die CoBra um Asgar Jorn in den Nachkriegsjahren oder etwa die ZERO-Künstler mit

Heinz Mack, Otto Piene und Günther Uecker.

Diese Beispiele gibt es. Der Unterschied freilich zu unserer hier präsentierten Gruppe

liegt vor allem darin, daß sich in den eben genannten Fällen zumeist junge Künstler mit

ähnlichen ästhetischen Vorstellungen zusammengetan haben; die Gruppe war hier also

Teil einer Durchsetzungsstrategie junger Leute, die gegen den etablierten Kunstbetrieb

ein gemeinsames Kunstproduzieren setzten, das immer auch mehr war als das allein:

Weil es nämlich Teil einer gemeinsamen Lebenshaltung, einer Lebenspraxis war, in die

das künstlerische Schaffen wie selbstverständlich integriert war.

Auch das war für sich genommen nichts Neues, schließlich haben sich Künstler bereits

im Mittelalter und der frühen Neuzeit zusammengeschlossen, in Bauhütten, Zünften und

Gilden. Seit dem 16. Jahrhundert schlossen sich Künstler dann in Akademien zusammen,

die ab dem Ende des 17. ]ahrhunderts zu staatlichen Einrichtungen wurden. Sie

übernahmen die Ausbildung des Nachwuchses und kürten ihre „Meister“. Parallel dazu

erlebten im 19. und 20. jahrhundert die neugegründeten Künstlervereinigungen eine

besondere Blütezeit. Den Anfang machten die „Nazarener“ 1809 in Wien mit dem den

Lukasbund (seit 1810) in Rom  mit der Absicht einer allgemeinen Erneuerung der Kunst.

Seit den 1820er-Jahren bildeten sich in Deutschland Künstlervereine und

Künstlergenossenschaften („Allgemeine Deutsche Kunstgenossenschaft“, 1858) , die

auch soziale Ziele verfolgten. - Wie der Lukasbund ist die Gründung der Bruderschaft

der Präraffaeliten in England und der Schule von Barbizon in Frankreich Mitte des 19.

Jahrhunderts, aber z.B. auch der Peredwischniki in Russland 1870 eine Reaktion auf den

herrschenden Klassizismus, gegen den sich Ende des 19. Jahrhunderts der künstlerische

Widerstand organisierte. Auch die Moderne institutionalisierte sich über

Gruppenbildungen, es entstanden die Sezessionen, erst in München, dann in Berlin und

anderswo; und die Sezessionisten gründeten wiederum gemeinsam als überregionale

Organisation den Deutschen Künstlerbund (1903), der bis heute existiert.

Künstlerbünde - und da zähle ich den Verband bildender Künstler in der DDR ebenso

dazu wie etwa auch den Künstlersonderbund, der sich der gegenständlichen Kunst

verschrieben hat - dienen allesamt der Interessenvertretung ihrer Mitglieder, sind also

eher als eine Standesvertretung der Kunstschaffenden zu sehen.

Eine Künstlergruppe aber - und damit kommen wir nun zur hier ausstellenden

Künstlergemeinschaft- verbindet eindeutig mehr als nur allgemeine berufsständische

Interessen. Und so ist zu fragen, was nun das Besondere an der 7-köpfigen

„Künstlergruppe2010“ ist.

Der Name verrät bereits, daß es sich um einen vergleichsweise jungen Zusammenschluß

von Künstlern handelt. Die sieben hier ausstellenden Mitglieder sind auch keineswegs

Anfänger, gemeinsam Übende und Praktizierende, sondern gestandene

Persönlichkeiten. Die vier Männer und drei Frauen sind zwischen 1938 und 1966

geboren, besitzen also neben ihren differenzierten künstlerischen Handschriften auch

unterschiedliche Generationserfahrungen.

Nichtweniger bemerkenswert ist der Umstand, daß sie aus unterschiedlichen Gegenden

stammen, genauer gesagt, aus Ost und West. Jeder/jede bringt damit- aber auch

unabhängig davon - sehr spezifische Entwicklungswege, Ausbildungsstationen und

berußiche Erfahrungen ein; dazu gehört, daß nicht einmal die Hälfte von ihnen immer

schon als freier Künstler/Künstlerin tätig war. Sie alle verbindet vor allem, daß sie aus

dem südlichen Umland von Berlin kommen.

Es ist ein Zweckbündnis aus gutem Grund, wie die bisherigen Aktivitäten und auch die

heutige Ausstellung zeigen.

Denn so unterschiedlich die einzelnen Handschriften und das überaus breite Spektrum

der verwendeten Techniken auch sein mögen, sie haben erklärtermaßen - und das sieht

man auch - gemeinsame Wurzeln in der Klassischen Moderne, vor allem auch in den

Kunstauffassungen, wie sie in der Dresdner und Berliner Malschule, sowie im Bauhaus

Dessau im 20. Jahrhundert vertreten wurden.

So ist es auch in dem Manifest der Gruppe fixiert. Weiter heißt es: „Wir huldigen weder

einer bloßen Dekorationsmalerei noch einer partei-politischen Aufgabenstellung. In

unserer künsderischen Arbeit gehen wir von der Realität aus, verformen sie eigenwillig

und schaffen auf diese Weise eine neue poetische Welt, die in das Wesen der Dinge

eindringt.“1 Hier nun lässt sich wohl der kleinste gemeinsame Nenner der Gruppe

ausmachen: nämlich in einer Poetisierung der sogenannten Realität mit all ihren

gewachsenen und bewährten Formen, die jedoch aufs Neue ausgetestet, hinterfragt und

variiert werden. Schaut man jeweils genauer hin, dann wird schnell klar, daß

Poetisierung keineswegs allein Beschönigung oder Glättung bedeutet, denn die Motive

und Formelemente werden immer wieder neu befragt.

So erscheinen die wiederkehrenden Masken bei Hans dem Fährmann einander zwar

ähnlich, doch sind sie in jeweils andere Sinnzusammenhänge eingebaut: durchaus

existenziell in „Leben - Kunst- Tod“ und spielerischer in den mehr orientalisch

beeinflussten Stilleben. Ähnlich agieren die Harlekine Günter Böhmes: Sie sind ebenso

Akteure wie Kommentatoren des Dargestellten, etwa vor dem fragilen „babylonisch

getürmten“ Bilderberg - mit dem sich ja alle aktiven Künstler irgendwann einmal

konfrontiert sehen. Der Künstler als Gaukler, als Comedia del'Arte-Figur, als Gegenstand

von Selbtporträts wie bei Frank von Feilitzsch, der sich auch in allen mögiichen anderen

Gruppen und Konstellationen zu spiegeln sucht - ein Spiegel kann aber auch die'

Landschaft sein, mit der sich vor allem einige der beteiligten Frauen immer wieder


1 http://www.fb55.de/gruppe/gruppe/Auf_ein_Wort.html

auseinandersetzen, Sigrun Pfitzenreuter mit ihrer Mischung aus ernsthaften und

komischen Bildtiteln, die aus kargen Landschaften Sinnbilder menschlicher

Konstellationen machen - ich denke hier nur an die „Schwatztanten“ - eigentlich einer

Darstellung von drei alten Weidenbäumen am Straßenrand, oder die so gar nicht alt

wirkende höchstwache „Alte“.

Landschaften zeigen uns auch Monika Fuchs und Ute Weckend: letztere mehr graphisch-

streng wie in der Lofoten-Serie, aber auch immer farbstark wie in den Bäume-Blättern

„Herbstleuchten“, „Hinterleuchtet“ oder dem Bauerngarten, der auf eine leichte, heitere

Weise an die ebenso fragilen wie farbstarken Landschaften Klimts erinnert. Überhaupt

die Anlehnungen: Sie reichen hier in der Ausstellung vom direkt präsentierten Heros

Max Beckmann bei Feilitzsch über seine bei „Julchen“ gefundene inspirative Nähe zu

Toulouse-Lautrec bis hin zu den Altmeistern der sog. Leipziger Schule, wenn bei Günter

Böhme z.b. das Ikarus-Motiv am Fliegenkönnen wie auch am Stürzen aktualisiert wird.

Bei den Frottagen von Sigrun Pfitzenreuter aber erfolgt dies heiter mit der fliegenden

Tänzerinnen-Tochter.

Die über einen langen Zeitraum nachvollziehbaren Landschaftszeichnungen von Monika

Fuchs hingegen sind von anderer Art: von den zarten Aquarellen der frühen 80er Jahre -

ich nenne hier nur die japanischen Kirschblüten - reichen sie bis zu den deutlich fester

gebauten MontVentoux- oder Provence-Bildern, in die auch das Wissen um die

Lösungen Cezannes produktiv eingegangen ist. Und daß der Himmel wie das Meer

aussieht- auch das ist der Freiheit künstlerischer Formung und Interpretation

freigestellt („Himmelsstudie" 1996). Und tatsächlich mischt sich in dem Blatt „Werdende

Stadt“ Kreatürliches - Menschen, Pferdeleiber - in die schöpfungsartige Naturdramatik.

Frank Beutel hingegen gibt den Betrachtern seiner Bilder nur Chiffren, einige wenige

Begriffe, die den besonderen Kosmos seiner Bilder aufzuschließen vermögen: Mit

„Libertas - Prag 1 (2010)“ spannungsreiche Konstellationen zwischen freakigen

Männern und der schönen lagernden Frau, und Bildern im Bild (mit Abacadabra

bezeichnet), wie es in ganz anderer Weise auch in dem großformatigen Fragment

„Mastrangelo“ aufscheint, einer imginären Künstlerzusammenkunft, die an alle

möglichen Spielfilme zugleich erinnert- getragen von einer Bedeutung, die in dem

Verhältnis der so unterschiedlichen Personen zueinander erzeugt wird, und die nicht

vollständig aufgelöst wird - weder in der Farbskizze noch auf dem großen Karton mit

der Bezeichnung Nr 1.

Festzuhalten ist: Auch wenn alle gemeinsam auf dem Festhalten an der menschlichen

Figur, am Figürlichen überhaupt bestehen, so tun sie das doch in sehr unterschiedlicher

Weise: Selten bietet eine Ausstellung so viele verschiedene Handschriften UND

Techniken auf einmal. Ich denke hier nur an die diversen skulpturalen Versuche in Gips,

Keramik und Ton, die den Bildern beigesellt sind.

Insofern vermag die Künstlergruppe 2010 einen weiten Kosmos zu umspannen – so

weit, wie die brandenburgische Landschaft selbst ist. Daß diese Umspannung aber

kraftvoll, individuell und von einem anhaltenden gestalterischen Aufbruchswillen

getragen ist, macht sie so besonders. Denn das ist es, was die Besucher hier sein können

Temporäre Begleiter/Begleiterinnen in einem anhaltenden Prozeß des

bildkünstlerischen Weitergehens, Weitergestaltens zu sein, der Jüngere und Ältere

konstruktiv zusammenführt und in der Künstlergruppe bzw. Ausstellungsgemeinschaft

verbindet

Dr. Annette Dorgerloh

Berlin/Eisenhüttenstadt im Dez. 2014